Leben als gelungenes Scheitern – (Teil 2 von 2)

Dieselbe Bilanz kann beides sein: der Beweis für ein erfolgreiches Leben. Oder für das Gegenteil.

Erfolgreich ist heute nicht, wer sich anpasst, sondern wer aus sich selbst «etwas macht».

1. Scheitern ist selbstverschuldet? – Nein, nicht immer!

Die eigene Selbstvermessung in Gesundheits-Apps und anderen technischen Mitteln wird zu einer Spielart des Scheiterns, welche als selbstverschuldet angesehen wird. Dabei ist bekannt, dass nicht immer eine klare Ursache-Wirkung-Regulation eingeführt werden kann, die Technik hingegen zieht diesen Schluss. Dies wiederum führt zu dem Aspekt der immer bedeutenderen Eigenbeteiligung. Damit begeben wir uns in ein infinites Steigerungsspiel womit Frustrationserlebnisse vorprogrammiert sind. Die einzige Chance aus diesem Kreislauf auszubrechen ist Vertrauen in das nichtquantifizierbare Wohlbefinden zu entwickeln.

Es scheint, als litten in unserer Optimierungsgesellschaft immer mehr an dem Problem, die eigenen überhöhten Massstäbe nicht erreichen zu können. Perfektionismus ist zu einer Volkskrankheit geworden.

2. Umgang mit Misserfolg

Hier ist es entscheidend, die eigenen extremen Bewertungsmassstäbe radikal zu überprüfen, die eigenen Bezugspunkte neu zu justieren und den eigenen Selbstwert immun gegen Erfolg oder Misserfolg zu machen. – «Wie kommt man nur auf die Idee, die ganze eigene Person von einem einzigen Misserfolg abhängig zu machen?»

Hier lohnt es sich, die befürchtete Katastrophe nach einem Misserfolg kritisch zu Überprüfen – es geht um mehr Realismus.

So kann Misserfolg auch Kräfte frei werden lassen, indem man nicht aufgibt und weiter für sein Ziel kämpft, wie zum Beispiel Emmanuel Macron es tat, der gleich dreimal Aufnahmeprüfungen an Hochschulen nicht bestanden hat und es schliesslich bis zum französischen Staatspräsidenten geschafft hat, da er nicht aufgegeben hat.

Zu seinem Gelingen gehört also die Akzeptanz des Misserfolges zwangsläufig dazu. Das ist vielleicht die schwierigste Lektion. Am Ende ist eins gelungenen Lebens immer auch ein gelungenes Scheitern und weiterkommen.

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Quelle: Psychologie Heute, S. 58-62, Juni 2019